Lust am Scheitern

Die Lust am Scheitern

Die Lust am Scheitern
Letzte Woche wurde ich aufmerksam auf eine spannende Idee eines Schokoladenproduzenten in der Südoststeiermark: Herrn Zotter. Er ist mehr als kreativ und seine Kombinationsfreude hat ihn in den österreichischen Schokoladenolymp geführt. Er macht beinahe vor keiner Kreation halt. Sei es Schokolade mit Fisch, Kürbiskernen mit Marzipan, Caipirinha, Messwein & Weihrauch, Grammelnussen, Waldbeeren mit Vanille, Bergkäse mit Walnüssen und Trauben oder auch Kirschbrand mit Marzipan.
Natürlich kommt nicht jede Kreation gleich gut beim Schokoladenpublikum an. Genau deshalb hat Zotter einen Ideenfriedhof ins Leben gerufen, wo er gescheiterte Produkte „beerdigt“. Ein lustiges Beispiel daraus ist die Sauerkraut-Schokolade. O-Ton Zotter: „Die schmeckt wirklich grausig“.
Doch warum erzähle ich dir das? Ganz einfach: der Unternehmer nimmt sich in diesem Punkt nicht so wichtig. Stolz präsentiert er seine Fehlentscheidungen und redet auch frei über seinen Konkurs in den 90ern mit einer anderen Firma. Er hat daraus gelernt. Die Lust am Scheitern hat ihn gepackt, da Weiterentwicklung nur über die Bewältigung von Niederlagen möglich ist. Kleine, als auch große.

Scheiter-Haufen
Damit der Scheiter-Haufen nicht zum Scherbenhaufen wird, muss man logischerweise risikobewusst agieren. Du kannst nicht mit deinem Hab und Gut nach Las Vegas gehen und alles auf eine Karte setzen. Das wäre mehr als dumm. Das Gegenteil davon jedoch auch. Gar nichts zu riskieren. Wobei…lass mich das noch einmal überdenken….Wenn ich nichts riskiere, kann ich nichts gewinnen. Wenn ich nichts gewinnen will, brauch ich nichts riskieren?!? Da ist mir die Gefahr des Scheiterns einfach zu groß…ich lass es. Was wohl die anderen von mir denken würden!?!
Kennst du solche Monologe? In der Vergangenheit führte ich sicher hunderte davon. Ist ja auch irgendwie bequem. So rein gar nichts zu unternehmen. Alles bleibt wie es ist. Viele Menschen lassen sich durch die Angst, Fehler zu begehen, paralysieren. Wehe, wenn der Nachbar von meinem Scheitern erfährt. Wenn ich jedoch ein Leben leben will, das den Namen als solches verdient, dann muss ich gottverdammtnochmal für meine Werte und Ziele einstehen – egal, was die anderen sagen.

Der geborene Verlierer
Im Jahr 2001 wollte ich eigentlich nicht studieren und fand mich – weil mein Umfeld dies so für mich vorgesehen hatte – an der Universität Graz wieder. Keine Lust und keinen Plan, was ich dort eigentlich machen sollte. Also studierte ich Psychologie. Ganze 8 Wochen, bevor ich das Studium schmiss. Danach ging es für mich in die raue Arbeitswelt einer Kaffeehauskette in Österreich. Leider reichte es nicht für den Verkauf und man schickte mich ins Lager. Welches sich im Keller befand. Ohne Licht. Ohne Menschen. Ohne Frischluftzufuhr.
An diesem Punkt wird sogar ein Abwäscherjob auf einmal attraktiv und ich nahm ihn an. Den führte ich dann auch aus, bis ich als Kellner ran durfte. Was für ein Abstieg. Es kann relativ schnell gehen – von einem ambitionierten Maturanten und Studienanfänger, dem die Türen der Welt offen zu stehen scheinten, zu einem Tellerabwäscher in einer Bar. Eine harte und lehrreiche Zeit für mich, die ich keineswegs missen wollte – was hätte ich sonst zu erzählen?;-)

Der Aufstieg

Er begann, wie kann es anders sein, als ich meine Frau kennenlernte. Sie rückte meinen Fokus zurecht. Macht sie auch heute noch 😉 Ich schmiss den Kellnerjob und begann wieder zu studieren. Alles in Mindestzeit und mit einem herausragenden Notendurchschnitt. Nun war die Zeit reif. Danach machte ich die Trainerausbildung und wurde von einem renommierten Arbeitgeber in Graz als Vortragender entdeckt. 2012 gründete ich, zusammen mit meinem Geschäftspartner eine Firma – www.treshombres.at. Aufgrund meiner Erfahrungen, war ich bereit zu scheitern. Wir hatten von Anfang an eine Exit-Strategie. Die solltest du dir auch immer zu Recht legen. Was glaubt ihr, wie mein Umfeld reagierte, als ich ihm mitteilte, dass ich in Zukunft Rum verkaufen würde? Das sei doch zum Scheitern verurteilt. Damit könne man kein Geld machen. Du bist doch schon so oft gescheitert.

Spaß am Risiko
Diese Meinungen waren mir egal, ich wollte das unbedingt probieren. Mit allen Chancen und Risiken. Heute – 3 Jahre später – kann man getrost von einem Erfolgsprojekt sprechen.
Ich habe es riskiert, ein Buch zu schreiben. Ich hätte daran scheitern können.
Ich habe es riskiert, vor hunderten von Menschen zu sprechen, ich hätte scheitern können. Es gibt viele weitere Beispielen, die in anderen Blogbeiträgen ihren Platz finden werden. Die Kernaussage ist: Ohne Scheiteroption fehlt mir das Salz in der Suppe des Lebens. Wenn alles berechenbar wäre, würde ich vor Langeweile sterben. Geht’s dir insgeheim nicht auch so?

Bei entsprechender Analyse bringen dich Niederlagen – auch kommunikativ – weiter. Zum Gegenüber bringen sie dich näher, wenn du sie dir zu Nutze machst.

Dem Scheitern den Zahn ziehen

Wieso riskieren manche Menschen und andere nicht? Vielleicht hat es tatsächlich etwas mit dem Stellenwert des Fehlers in unserer Gesellschaft zu tun. Fehler werden bestraft, man muss sie tunlichst vermeiden. Ich habe darauf bereits mehrfach hingewiesen. Ausführlich vor allem in meinem Buch: Der Sympathie-Code.
Fehler, Niederlagen, Fehleinschätzungen müssen – nach gesellschaftlicher Konvention – vor allem verschwiegen werden. Ich lehne dies strikt ab. Fehler können Sympathie herstellen.
Wenn du ausschließlich von deinen Erfolgen erzählst – ich hoffe, du hast davon Tonnen zu erzählen – dann schafft das eher Distanz zu deinem Gegenüber. Viel spannender und emotional bindender sind Misserfolgsmomente, die du mit deinem Gegenüber teilst, so wie ich gerade in diesem Blog.

Misserfolgsmomente oder Enttäuschungen kann jeder nachvollziehen und dein Kommunikationspartner wird die Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit zu schätzen wissen.
Es geht vor allem um die Mischung in jedem Kommunikationsakt. Nur von den Erfolgen zu erzählen bringt emotionale Distanz mit sich und nur von seinen Misserfolgen zu erzählen ebenso.
Dass diese Taktik funktioniert, hat Jeff Scardino eindrucksvoll bewiesen. Er spickte seinen Lebenslauf mit Misserfolgen und hatte riesigen Erfolg damit. Von 10 Bewerbungen, wurde er 5 Mal zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Vielleicht überdenkst du in Zukunft, ob und wie du persönliche Misserfolge und Niederlagen deinem Gegenüber mitteilst.

Sympathische Grüße aus der Südsteiermark

Dein Michael Jagersbacher
Sympathisch/Praktisch/Klug