Sympathie aus der Dose

Schnellstens sympathisch werden
Wir leben in einer Welt, die flach geworden ist. Flach deshalb, weil Distanzen und kommunikative Barrieren in den letzten Jahrzehnten Stück für Stück zerbröselt wurden von unserer Kommunikationstechnologie. An sich ein durchaus wünschenswerter Zustand. Genau dies möchte ich auch meinen LeserInnen beibringen – kommunikative Hürden abbauen, wenn es gewünscht ist und aktiv Nähe zum anderen zu forcieren.
Ich persönlich finde es immer noch fantastisch, wenn ich mein Smartphone in Händen halte und weiß, dass ich innerhalb von Sekunden mit der ganzen Welt Kontakt aufnehmen kann. Ob es nun mein Cousin in Australien ist, der meinem Sohn zum Geburtstag gratuliert, oder meine Geschäftspartner in der Südsteiermark, die mit mir ein digitales Meeting abhalten. Die Möglichkeiten scheinen unendlich zu sein, sich selbst kommunikativ zu verwirklichen. Wenige Knopfdrücke und ich habe eine maßgeschneiderte Werbeeinschaltung auf Facebook, welche mit wenige Euros kostet. Unglaublich, aber wahr.
Schattenseiten
Als ich wirklich jung war – ich bin ein 1981er Jahrgang – riet man mir jobtechnisch, eine Firma zu suchen, die solide Zahlen schreibt und bei welcher ich bis zu meiner Pensionierung – nach derzeitigem Stand 2046 – bleiben könnte. In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts schien dieser Rat ein guter gewesen zu sein. Es gab noch so etwas wie Stabilität in der Berufswelt, auch wenn diese heile Welt mit dem vermehrten Aufkommen des Internets bereits einzustürzen begann.
In meiner Arbeit mit 5000 Menschen habe ich sicherlich an die 3000 Lebensläufe zu Gesicht bekommen und beinahe alle bestätigen meinen Eindruck – Sicherheit und Stabilität sind Auslaufmodelle, vermehrte Jobwechsel eher die Regel, denn die Ausnahme. Ein sicherer „Jobhafen“ scheint ein Auslaufmodell zu sein. Ein Blick in die Zeitung genügt, um meine These zu bestätigen: Durch die Verbesserung von Kommunikation, dreht sich die Welt einfach schneller und Insolvenzen sind fortan an der Tagesordnung.
Schnell, schneller, Drehwurm
Wo viel Licht ist, gibt es eben auch diese angesprochenen Schattenseiten. Erich Fromm skizziert in seinem Buch: „Die Furcht vor der Freiheit“ sehr schön, was die Auswirkungen der „Optionsgesellschaft“ auf den menschlichen Geist sind. Peter Gross spricht sogar von einer „Multioptionsgesellschaft“. Es gibt Vorteile als auch Nachteile. Frei zu sein ist etwas Wunderbares, Freiheit kann jedoch auch etwas Belastendes haben. Sicherheiten – welcher Art auch immer – verschwinden. Schnellere Kommunikation ermöglicht nicht nur schnellere Veränderung, sondern bedingt sie. Was im Moment als sichere Firma erscheint, kann kurze Zeit später ein Insolvenzfall sein. Nehmen wir das Beispiel Nokia. 2006 betrug der Marktanteil im Handysegment stolze 50%. Jeder Zweite hatte ein Nokia-Mobiltelefon. 2007 kam Apple mit seinem I-Phone, der Rest ist Geschichte. 2012 betrug der Marktanteil von Nokia nur mehr erschreckende 6,6%. Die Geschwindigkeit nimmt in allen Lebensbereichen zu.
Innere Beschleunigung
Dies alles hat selbstverständlich Auswirkungen auf uns und unsere Einstellung zu Dingen, die uns umgeben. Das Mittagessen wird nicht mehr zelebriert, sondern zwischen Terminen im Auto hinter sich gebracht. Selbst, wenn wir in der heimischen Küche stehen, muss es schnell gehen. Millionen von Fertiggerichten zeugen von unserer Art, mit Zeit umzugehen.
Ich mache keinen Hehl daraus: auch ich „bewege“ mich immer schneller. Doch, wer sich übertrieben beeilt, wird keine Qualität ernten.

Dies habe ich bei meiner Diplomarbeit gemerkt. Es war mir wichtig, dass sie innerhalb kürzester Zeit fertig würde. Ich habe 6 Wochen an 120 Seiten geschrieben und war Stolz wie Oskar, als ich sie meinem Professor übergeben konnte. Dieser jedoch schmunzelte, schaute nicht mal auf die erste Seite der Arbeit, sondern schob sie mir zurück und meinte, ich sollte lieber noch einmal über diese Dinge nachdenken. Obgleich ich mich damals ärgerte über sein Verhalten – er hatte absolut Recht. Gewisse Dinge brauchen Zeit, um in die Tiefe zu gehen. Gleiches habe ich bei meinem Philosophiestudium bemerkt. Ich war dermaßen erpicht darauf, es in 3 Jahren abzuschließen, dass ich nur das Notwendigste dafür machte. Doch in der Philosophie ist es gleich wie im Leben: Man muss auch mal nach Links und Rechts sehen, ein paar Umwege gehen, um geistige Reife zu erlangen.
Kommunikation aus der Konserve
Ähnliches gilt im Kommunikationstraining. Teilweise erhalte ich Anfragen von Menschen, welche eine Persönlichkeitsveränderung innerhalb von Stunden von mir erwarten. Tiefgreifende Veränderung braucht jedoch Zeit, braucht weite Wege, braucht Reflexion, braucht Übung, braucht Wiederholung. Abkürzungen gibt es nur für Teilstrecken. Viele lehnen dann dankend ab, wenn ich mitteile, dass Sympathietraining mit Arbeit und Zeitaufwand verbunden ist. Kein Wunder – weltweit werden in etwa 205 Milliarden E-Mails pro Jahr verschickt. Tendenz steigend und zwar um ca. 5% im Jahr. Hinzu kommen Messenger, Whats-App und was weiß ich noch für Nachrichtenportale. Wir sind multikommunikativ oder omnikommunikativ.
Bitte nicht falsch verstehen – ich habe nichts gegen kurze Impulse. Auch diese lösen etwas aus in uns. Dieses Buch von Stéphane Etrillard beispielsweise – Coaching in Minutenschnelle – ist außerordentlich empfehlenswert. Jedoch stört mich diese ausschließliche Fokussierung auf diese „Schnell-Ausbildungen“, auf diese schnell verdaubaren Happen. Sowohl langfristiges als kurzfristiges Arbeiten an sich und seiner Persönlichkeit ist für nachhaltigen Erfolg nötig – dies benötigt eben Zeit. Egal, ob uns das Recht ist oder nicht. Deshalb bietet Stéphane Etrillard auch ein Jahres-Coaching an.

Sympathie ist keine Fertig-Pizza

Leider, oder Gott sei Dank, können wir unsere Sympathie nicht in die Mikrowelle stecken und 5 Minuten schmoren lassen, um sie in voller Blüte genießen zu können. Auch gibt es keine Dose mit 500 Gramm Sympathie zu erwerben. Doch weshalb ist es der Fall, dass Sympathietraining nicht schneller funktioniert?

Wir müssen bedenken, dass wir – jeder/jede Einzelne/r von uns – mit dem eigenen Kommunikationskonzept recht erfolgreich waren in unserem Leben. Ich beispielsweise habe es geschafft, 34 Jahre alt zu werden und mich einigermaßen in die Gesellschaft zu integrieren. Das bedeutet, ich habe 34 Jahre Übung so zu sein, wie ich bin. Meine Gesten, Mimiken, Kommunikationsstrategien sind ein integraler Bestandteil von mir. Wenn man nun anderen Menschen Tipps gibt, wie es besser funktionieren kann, dann müssen sie es zu einem Teil ihres Selbst werden lassen. Ich sehe keinen anderen Weg, ansonsten wirkt es nicht authentisch, sondern plump und übergestülpt. Dies kann Monate oder Jahre dauern.

Der Lohn für die harte Arbeit – ein völlig neues Selbstkonzept, welches dich nachhaltig und authentisch sympathischer macht.

Viel Erfolg dabei,

Euer Michael Jagersbacher

 

3 Kommentare zu „Sympathie aus der Dose“

  1. Pingback: Sympathie ist Trump(f)

  2. Die Dosis macht das Gift. Ich denke, schon alleine das bewusstere Nutzen unserer Kommunikationsmöglichkeiten könnte einen ersten Schritt darstellen. Jedoch will man das? Ist man bereit um sich aus seiner „Comfortzone des Alltags“ herausbewegen zu wollen? Ein guter Gedankenanstoss, danke Michi

    1. Da hast du absolut Recht. Die entscheidende Frage: Will man das? Ich denke, es ist sehr entscheidend, was dein Antrieb, deine Vision und deine Ziele sind. Dann ergibt sich daraus die Antwort. Denk mal an euer Projekt – wenn du mehr Mitglieder anheuerst, wird euer Projekt bekannter und es kann mehr Menschen geholfen werden. Ist dir das wichtig genug, wirst du versuchen, kommunikativ voranzuschreiten.
      Ich für meinen Teil habe mich entschieden, als Mensch wirken zu wollen. Das ist natürlich nicht die einzige Möglichkeit, aber mmn. die Schönste von allen.
      Eigentlich ist es ja traurig, dass man die Menschlichkeit erst wieder ins Gedächtnis der Menschen rufen muss. Doch ich nehm die Herausforderung an!

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